Agnostizismus (teil 2 von 4) Erläuterung von Huxleys Stellungnahme


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Agnostizismus

 
(teil 2 von 4)
 
Erläuterung von Huxleys Stellungnahme
 
 
 
Beschreibung: Dieser Artikel erläutert die Stellungnahme Huxleys über den Agnostizismus.  
 
“Gemäß Huxley ist das Wort als Antithese zu ´Gnostiker´ der frühen Kirchengeschichte zu verstehen, und es war beabsichtigt, dass es nicht nur einen Gegensatz zu Theismus und Christentum darstellen sollte, sondern ebenfalls zu Atheismus und Pantheismus.  Er beabsichtigte, mit diesem Wort nicht so sehr die Unwissenheit über Gott mit einem Mantel zu bedecken, sondern die starke Überzeugung, dass das Problem Seiner Existenz unlösbar ist.”[1]
 
Der schwanzlose Fuchs sucht nach einem “Mantel der Achtbarkeit”?  So scheint es, aber wer könnte ihn tadeln?  Es war eine schwierige und verwirrende Zeit -- die Szenerie setzt voraus, dass viele Intellektuelle ziemlich frustriert gewesen sein müssen und annahmen, sie seien kurz, aber nicht nur dass ihnen der Schwanz fehle, sondern auch beide Hinterbeine.  Zu einer Zeit und an einem Ort wo, wie Huxley beschreibt, eine Auswahl im praktischen Sinne zwischen dem Christentum oder gar nichts bestand, war jeder, der über die theologischen Schwierigkeiten nachdachte, gezwungen, seinen Eid für die Mitgliedschaft in irgendeinem der exklusiven christlichen Clubs zu überdenken.  Die Einführung des Etiketts ´Agnostizismus´ war zweifellos aus der Frustration geboren, mit denen, deren Doktrinen mit Leichtigkeit von Männern und Frauen mit Verstand widerlegt werden konnten, umgehen zu müssen, aber in einer theologischen Leere, wo eine annehmbare Alternative der englisch-sprechenden Welt noch nicht präsentiert worden war.  Was konnte eine Person tun, die zwar an Gott glaubte, aber nicht an die Religionen, die ihr zur Auswahl standen?  Flucht war die einzige Alternative und das war, wie es scheint, genau das, was Huxley tat.  Huxley prägte einen Begriff, der ein uraltes Konzept entkapselte, das all jenen, die ihm die Treue versicherten, einen Ausweg aus dem überhitzten, überfüllten Raum der religiösen Diskussion verschaffte in die private Höhle persönlicher Überzeugungen. 
 
Aber obwohl der Begriff ein gemeinverständliches Entlastungsventil für jene darstellte, die sich in der Zeit Huxleys dem Druck ernsthafter religiöser Diskussionen entziehen wollten, taucht die Frage auf: „Hat dieser Begriff heute überhaupt noch Wert?“  Die Wahrheit des Konzepts bleibt, aber die Frage ist nicht, ob es eine Wahrheit in diesem Konzept gibt oder nicht, sondern ob es in dieser Wahrheit einen Wert gibt.  Ein Stein hat Wahrheit, aber wo ist der Wert?  Ziemlich gering unter normalen Umständen.   
 
Also bleibt auf der einen Seite der “Was also?” Faktor.  Ein uraltes Konzept von der Nicht-Beweisbarkeit Gottes klingt so gefällig und praktisch, aber ändert das Konzept von der Nicht-Beweisbarkeit jedermanns Glauben an Gott?  Eine Person kann jedes von den zahllosen Glaubens- / Unglaubenssystemen annehmen und zur gleichen Zeit zugeben, dass die Wahrheit Gottes nicht bewiesen werden kann.  Also kann eine solche Annahme nicht die Tiefe der Überzeugung einer jeden Person verändern, die sie in ihrem Herzen oder in ihrem Kopf hat. 
 
Und die meisten Menschen wissen das.  
 
Wenige religiöse Eiferer glauben, sie könnten ihre Religion oder die Existenz Gottes mit absoluten und nicht widerlegbaren Beweisen unterstützen.  Anwachsende Herausforderungen durch zunehmend intelligente und gut informierte Laien haben den Geistlichen insbesondere des christlichen und jüdischen Glaubens eine unmögliche Beweislast auferlegt.  Fragen und Herausforderungen, welche in den vorangegangenen Jahrhunderten Vorwürfe der Ketzerei als ein praktisches Maß der Unterdrückung des Aufstandes nach sich zogen, sind heute aber alltäglich und verlangen nach Antworten.  Die Tatsache, dass die Kirche auf derartige Fragen Antworten gibt, welche der Logik und der menschlichen Erfahrung widersprechen,  haben dazu geführt, dass die Kleriker häufig keine andere Zuflucht finden, als die Herausforderung auf den Fragesteller umzukehren, indem sie versichern: „Es ist ein Mysterium Gottes, du musst nur Glauben haben.“  Der Fragesteller könnte antworten: „aber ich habe Glauben – ich habe den Glauben, dass Gott eine Religion offenbaren kann, die alle meine Fragen beantwortet“ um nur weiter beraten zu werden: „Nun, in diesem Fall musst du einfach nur mehr Glauben haben.“  Mit anderen Worten muss die Person aufhören, Fragen zu stellen und mit der Linie der Partei zufrieden sein.  Selbst wenn es keinen Sinn ergibt und selbst wenn die Urschriften etwas anderes lehren. 
 
Daher hat die Hierarchie der zahlreichen jüdisch-christlichen Sekten in den vergangenen paar Jahrhunderten auf ihren Hacken kehrt gemacht, von der Gott-gegebenen Logik zu einer wankenden, zurückgekrümmten, die Waffen streckende Haltung gnostischer Ideologie, die in der frühen Geschichte des Christentums (d.h. in der Zeit derjenigen, die es am besten wussten) keine Meinung äußern, nicht zweifeln und ´sammelt-das-Feuerholz-und-errichtet-den-Scheiterhaufen´ gotteslästernde Sekte angesehen wurde.   Das Szenario ist bizarr; es ist, als würde man sagen: „sicher, dieser Ofen ist das Modell vom letzten Jahr.  Die Prototypen funktionierten nicht.  Tatsächlich explodierten sie und jeder, der sie benutzte, verbrannte zu Tode, aber wir bringen ihn trotzdem wieder, weil wir Geld brauchen.  Aber wir versprechen dir, wenn du glaubst – ich meine, wirklich glaubst – dann versprechen wir dir, wird alles in Ordnung gehen.  Und wenn er in dein Gesicht explodiert, dann mach´ uns keine Vorwürfe.  Du hast einfach nicht genug geglaubt.”  Das Traurige ist, viele Leute kaufen ihn nicht nur, sie stellen sogar noch einen zur Seite für jedes ihrer Kinder. 
 
Das unfassende Schema der Dinge war, dass die Kleriker den christlichen Glauben als auf Wissen gegründet betrachteten, bis die gebildeten Laien sie eines besseren belehrten.  Viele Jahrhunderte lang war es den Laien nicht erlaubt, Bibeln zu besitzen, und die Strafe für das Besitzen war in nicht wenigen Fällen der Tod gewesen.  Nur durch die Unterdrückung dieses Gesetzes waren die Papiermanufakturen in Europa (im 14. Jahrhundert) in der Lage gewesen, mit der Erfindung der Druckerpresse (Mitte des 15. Jahrhunderts) und der Übersetzung des Neuen Testaments in die englische und deutsche Sprache (16. Jahrhundert), die Bibel für den einfachen Mann, der lesen konnte, tatsächlich verfügbar und lesbar zu machen.  Das war das erstemal, dass Laien die Bibel lesen konnten (wo sie verfügbar war – Veröffentlichung und Verteilung bleiben noch mehrere Jahrzehnte limitiert) und vernünftige Herausforderungen zu den aufgestellten Doktrinen auf der Basis persönlicher Analysen der Urschrift anstellen konnten.  Als derartige Herausforderungen die Argumente der Kirchenverteidiger  schlugen, machten die meisten christlichen Sekten etwas Erstaunliches – sie schworen dem beinahe 2 000 Jahre alten Anspruch ab, dass die Doktrin auf Wissen basieren soll, und richteten anstatt dessen das Konzept der Erlösung durch spirituelle Rechtleitung und Rechtfertigung durch den Glauben ein.  Besonderen Nachdruck legten sie auf den angeblichen Wert der blinden, nicht denkenden (und daher auch nicht fragenden) Verpflichtung. 
 
Die modernen ´spirituellen´ Verteidigungen, die der neuen Kirchen-Orientierung  entsprangen, ahmen die heretische ´mystische Exklusivität´ der alten Gnostiker nach, wiederholen bekannte Gefühle wie: „Du verstehst es nur nicht, du hast nicht den Heiligen Geist in dir, so wie ich“ oder „Du musst einfach nur deinem führenden Licht folgen – meins ist gleichmäßig, laser-gerade und Xenon-hell, aber deines flackert und ist gedämpft“ oder „Jesus lebt eben nicht in dir, so wie er es in mir tut“.  Zweifellos sagen solche Feststellungen dem ´bin ich nicht etwas besoneres´- persönlichem-Ego-Beweis eines jedem Sprechers zu, aber wenn jemand darauf besteht, an spirituelle exklusive Pfade zu glauben, dann werden zweifellos andere darauf bestehen, über den Unterschied zwischen Selbsttäuschung und Wirklichkeit zu diskutieren.  T.H. Huxley wäre zweifellos nicht glücklich darüber, an der Debatte teilzunehmen. 
 
Das Problem besteht darin, dass mystische Exklusivität als Schlüsssel zu Rechtleitung und / oder Erlösung zu behaupten bedeutet, dass Gott willkürlich die “Ungeretteten” der Gesellschaft aufgegeben hat – eine Vorstellung, die nicht zu Gott passt.  Macht es da nicht mehr Sinn für Gott, jedem einzelnen Menschen eine gleiche Chance zu geben, die Wahrheit Seiner Lehren anzuerkennen?  Dann verdienen diejenigen, die sich Seinen Beweisen ergeben, eine Belohnung, während diejenigen, die leugnen, dafür zu tadeln sind, dass sie Ihn nicht anerkannt, nicht an Ihn geglaubt und Ihn nicht angebetet haben. 
 
Aber unglücklicherweise ist die Natur der Selbsttäuschung, dass derjenige, der sich selbst täuscht, selten in der Lage ist, die Fehler seiner Missverständnisse zu erkennen; die Natur der Gnostiker ist ähnlich, weil sie typischerweise zu sehr in ihre selbst-befriedigende, sich selbst dienende Philosophie verliebt sind, um sich über die Falschheit ihrer Grundlagen klar zu werden.  Und tatsächlich ist es schwierig, zu glauben, dass der Kellner in die Suppe gespuckt hat, wenn es sich um ein fünf Sterne Restaurant handelt, der Service kultiviert und die Aufmachung untadelig ist.  Erscheinung und Geschmack können genauso gut sein, wie sie die Realität vergessen lassen.  Aber es ist der Kunde, der den Überbringer der Wahrheit eher als einen lästigen Spassverderber betrachtet, denn als einen ernsthaften Wohltäter. 
 
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[1] Meagher, Paul Kevin et al.  Vol. 1, p. 77.
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