Sozialer Zusammenhalt im Islam (teil 1 von 3): Verbindung des Glaubens
Gesellschaften bestehen aus verschiedenen Einzelpersonen, deren Rasse, ethnische Zugehörigkeit und Religion variieren können. Heutzutage wird häufig von pluralistischen Gesellschaften gesprochen, und wie sozialer Zusammenhalt in derartigen Gesellschaften gefördert werden kann. Die Annäherung des Islam an diese Frage ist einzigartig. In ihrem Fortschritt schafft er die stärkstmögliche Verbindung.
Bevor wir zu einer Beschreibung des stärkstmöglichen Bandes kommen, ist es wichtig, zu bemerken, dass der Islam die absolute Wurzel der sozialen Uneinheit bekämpft: Rassismus und Vorurteil. Man kann so viele Gesetze erlassen, wie man will, aber solange diese Krankheit im Herzen wurzelt, kann es niemals wahren sozialen Zusammenhalt geben. Nichts beleuchtet diese Tatsache mehr, als die Debatten in Europa und den USA über Immigration. Hass auf „Ausländer“, sogar wenn diese vollständige Mitglieder und Bürger der Gesellschaft sind, wird wahren sozialen Zusammenhalt immer verhindern.
Der Islam hat diese Krankheit mit einem Vers hinfortgewischt, der anzeigt, worin der wahre Wert eines Menschen besteht. Gott sagt:
“O ihr Menschen! Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander erkennen möget. Wahrlich, vor Gott ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist. Wahrlich, Gott ist Allwissend, Allkundig.” (Quran 49:13)
Daher sollten Rasse und ethnische Zugehörigkeit keine Auswirkung auf den sozialen Zusammenhalt in den Augen eines Muslim haben. Es besteht also ein Unterschied, den der Islam in betracht zieht: der Unterschied von Glaube und Religion. Daher wird sich diese Diskussion über sozialen Zusammenhalt im Zusammenhang mit einer pluralistischen Gesellschaft im Hinblick auf die Religion beschäftigen.
Das Band des Glaubens
Wenn man heute viele fragen würde, welches das stäkste Band ist, das die Menschen möglicherweise verbindet, werden die meisten von ihnen vielleicht Antworten geben wie Blutsverwandtschaft, ethnischer Ursprung, Staatsangehörigkeit und so weiter. Tatsächlich zeigt der Qur´an, dass diese Arten des Bundes nicht so stark sind, wenn das Fundament dahinter schwach ist. Im Qur´an gibt Gott die Beispiele von Kain und Abel, die Brüder waren, trotzdem tötete einer den anderen, ebenso die Brüder von Josef, die Josef in einen Brunnen gesperrt hatten. Dies alles waren Blutsverwandte; aber sie stellten dieses Wort über ihre Beziehung zu anderen. Derartiges passiert heutzutage überall in der Welt. Die Beziehungen zwischen den Menschen sind ihren weltlichen Begierden, Zielen und Wünschen untergeordnet. Viele sind nur allzu schnell und leicht bereit, ihre eigenen Nachkommen und Verwandten zu verkaufen, um in dieser Welt voranzukommen oder um etwas, das sie sich wünschen, zu erreichen.
Dies alles zeigt uns eins: wenn die Verbindungen zwischen Menschen auf weltlichen Betrachtungen basieren, auch wenn es sich ursprünglich um Blutsverwandschaft handelt, dann werden diese Verbindungen aufgegeben, sobald weltliche Betrachtungen verlangen, dass sie aufgegeben werden. Daher sind dies nicht die stärksten Verbindungen, die zwischen den Menschen aufgebaut werden können. Die stärksten Verbindungen, die unter Menschen erreicht werden können, sind die Verbindungen des Islam und des wahren Glaubens. Dies sind die Verbindungen, die zwischen den Menschen gebildet werden, die einzig und allein das Ergebnis ihres Glaubens und ihrer Liebe für Gott sind. Dies hat Gott im Qur´an ganz deutlich betont, als Er sagt:
“Und Er hat zwischen ihren Herzen Freundschaft gestiftet. Hättest du auch alles aufgewandt, was auf Erden ist, du hättest doch nicht Freundschaft in ihre Herzen zu legen vermocht, Gott hat aber Freundschaft in sie gelegt. Wahrlich, Er ist Erhaben, Allweise.” (Quran 8:63)
Gott sagt auch:
“Und haltet insgesamt an Gottes Seil fest, und zerfallet nicht, und gedenket der Gnade Gottes gegen euch, da ihr Feinde waret, und Er eure Herzen so zusammenschloß, dass ihr durch Seine Gnade Brüder wurdet; und da ihr am Rande einer Feuergrube waret, und Er euch entriss. So macht Gott euch Seine Zeichen klar, auf dass ihr euch rechtleiten möget.” (Quran 3:103)
Der Qur´an und die Sunna zeigen, dass das Band des Glaubens die stärkste aller Verbindungen ist. Es repräsentiert Menschen aus aller Welt, die nur aus einem Grund zusammenkommen: um Gott allein anzubeten. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten die Muslime zusammen und helfen einander mit Zuneigung, Mitgefühl und Liebe.
Es gibt tatsächlich zahlreiche Texte im Qur´an und den Hadithen, die zweifellos demonstrieren, dass Muslime eine universelle, internationale Bruderschaft und Schwesterschaft bilden sollen.[1] Um es kurz zu halten, werden hier nur ein paar Beispiele für diese Texte aufgeführt:
Gott sagt:
“Und die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen sind einer der anderen Auliyaa (Beschützer, Freunde, Helfer): sie gebieten das Gute und verbieten das Böse und verrichten das Gebet und entrichten die Zakah und gehorchen Gott und Seinem Gesandten. Sie sind es, derer Gott sich erbarmen wird. Wahrlich Gott ist Erhaben, Allweise. ” (Quran 9:71)
Ein anderer Vers lautet:
“Die Gläubigen sind ja Brüder…” (Quran 49:10)
Gott sagt ebenfalls:
“Muhammad ist der Gesandte Gottes. Und die, die mit ihm sind, sind hart zu den Ungläubigen, doch barmherzig zu einander...” (Quran 48:29)
Der Prophet, Gottes Segen und Frieden seien auf ihm, sagte:
“Der Gläubige ist gegenüber dem anderen Gläubigen wie ein Bauwerk, ein Teil festigt den anderen.” (Sahieh al-Bukhari und Sahieh Muslim)
Ein anderer Hadith besagt:
“Die Parabel der Gläubigen was ihre Liebe, Barmherzigkeit und Zuneigung unter einander angeht, ist wie die eines Körpers: wenn ein Glied schmerzt, reagieren die anderen mit Schlaflosigkeit und Fieber.” (Sahieh Muslim)
Aber diese großartige Brüderlichkeit des Islam ist nicht einfach nur theoretisch. Sie wird tatsächlich durch praktische Rechtleitung wohl definiert und unterstützt.[2] Sie hat bestimmte Grundkomponenten und besondere Rechte und Verpflichtungen, die in Qur´an und Sunna beschrieben werden. Diese Rechte und Pflichten gelten für jeden Muslim, jederzeit und an jedem Ort.
Footnotes:
[1] Es ist wichtig, zu realisieren, dass diese Brüderlichkeit auf einen gemeinsamen Glauben basiert. In der Tat endet die Blutverwandtschaft, wenn es um Unterschiede in der Religion geht. Gott sagt über Noah und seinen Sohn: Er sprach: "0 Noah, er ist nicht einer von deinen Angehörigen, das ist ja kein rechtschaffenes Tun.” (Quran 11:46). Daher fallen Nicht-Muslime nicht unter diese Brüderlichkeit. Sie sind aber mehr als willkommen an dieser Brüderlichkeit teilzuhaben, indem sie den Islam annehmen, denn diese Brüderlichkeit basiert nicht auf Rasse, ethnischer Zugehörigkeit oder Nationalität. Anderenfalls haben sie durch die Wahl ihrer Religion und ihres Glaubens gewählt, außerhalb dieser Brüderlichkeit zu bleiben. Wie später diskutiert werden wird, hat der Muslim gegenüber diesen Nicht-Muslimen trotz allem Verpflichtungen.
[2] Es ist eine große Gnade, dass man im Islam detaillierte Lehren findet, die ihre Ergebnisse in den erwünschten Zielen finden, während sie zur gleichen Zeit außerordentlich anwendbar sind und mit der menschlichen Natur übereinstimmen. Der Mangel an derartigen Lehren ist eines der größten Dilemmas des Christentums. In bezug auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind die großartigsten Lehren, die man im Neuen Testament findet, als die „harten Aussagen“ Jesus´ bekannt. Es sind folgende: “Ihr habt gehِört, dass gesagt ist: “Auge um Auge und Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern wenn jemand dich auf deine rechte Backe schlagen wird, dem biete auch die andere dar; und dem, der mit dir vor Gericht gehen und dein Unterkleid nehmen will, dem lass auch den Mantel. Und wenn jemand dich zwingen wird, eine Meile zu gehen, mit dem geh zwei. Gib dem, der dich bittet, und weise den nicht ab, der von dir borgen will. Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters seid, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bِöse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zِöllner dasselbe? Und wenn ihr allein eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die von den Nationen dasselbe? Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.” (Matthäus 5:38-48). (Merke, dass Muslime sich der Tasache bewusst sind, dass die Worte Jesus´ nicht sorgfältig bewahrt worden sind und daher kann man nicht wahrhaftig argumentieren, dass dies seine Worte gewesen seien.) Christliche Gelehrte selbst sind verwirrt. Wie sollen so offensichtlich unmögliche oder nicht anwendbare Lehren appliziert werden? Nur ein Beispiel für eine Diskussion dieser Worte wird ausreichen, um zu zeigen, wie verwirrt sie sind: “[Um diese Worte zu interpretieren, ist das Modell, das von Joachim Jeremias vorgeschlagen wird, einfach, repräsentativ und von weitreichendem Einfluss. Nach diesem Modell wird die Rede normalerweise auf einer von drei Arten betrachtet: (1) als ein perfektionistischer Kodex, völlig auf einer Linie mit der Gesetzgebung des rabbinischen Judentums; (2) als ein unmögliches Ideal, das dazu bestimmt ist, den Gläubigen zuerst in Hoffnungslosigkeit zu stürzen und dann auf Gottes Barmherzigkeit zu vertrauen; oder (3) als eine "vorläufige Ethik", d.h. für etwas, das als kurze Wartezeit am Ende der Zeit erwartet wird, und das nun obsolet ist. Jeremias fügt noch seine eigene vierte These hinzu: Die Rede ist eine andeutende Schilderung des beginnenden Lebens im Königreich Gottes, das als Bedingung die Möglichkeit der Erfahrung der Umwandlung voraussetzt. Es wurden noch komplexere oder verständlichere Schematisierungen angeboten, aber die meisten Erläuterer können in Verbindung mit den Optionen, die von Jeremias geboten wurden, verstanden werden.” Lisa Sowle Cahill, Love Your Enemies: Discipleship, Pacifism, and Just War Theory (Minneapolis, MN: Fortress Press, 1994), S. 27.